Jörg Odermatt: In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben Sie viele Kundinnen und Kunden auch bei Anlagefragen betreut. Waren die Versicherten nach einer grösseren Börsenkorrektur jeweils stark verunsichert? Kam es sogar zu Panikverkäufen?
Nein, Panikverkäufe waren kaum zu verzeichnen. Aber die Verunsicherung war insbesondere nach Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 deutlich zu spüren. Gerade dann ist die persönliche Betreuung und der intensive Austausch extrem wichtig. Das schafft Vertrauen. Unsere Kundinnen und Kunden werden deshalb auch bei volldigitalisierten Vorsorgelösungen immer auf die Unterstützung eines persönlichen Coaches zählen können.
Wollten die PensFlex Versicherten während der Finanzkrise ihre Sparbeiträge und freiwilligen Einkäufe überhaupt noch investieren?
Die Mehrheit der Versicherten hat im Rahmen der gewählten Anlagestrategie weiterhin diszipliniert investiert – und das zu markant tieferen Einstiegskursen. Aber es gab natürlich auch Versicherte, die ihre Neugelder als Cash auf dem Vorsorgekonto liegen liessen, um den idealen Einstiegszeitpunkt abzuwarten.
Was war Ihre Empfehlung in dieser doch sehr unsicheren Phase?
In der Regel haben wir zum Investieren geraten. Nur bei einem kurzfristigen Anlagehorizont oder bei Versicherten, die aufgrund der Buchverluste kaum noch schlafen konnten, wurde der Investmentprozess unterbrochen.
Welche Strategie war erfolgreicher: Zu investieren oder auf den richtigen Zeitpunkt zu warten?
Ganz klar das disziplinierte Investieren! Die Mehrheit der Taktiker hat den richtigen Einstiegszeitpunkt verpasst. Das wiederum hat sich negativ auf die Performance ausgewirkt.
Was ist beim Anlegen von Vorsorgegeldern sonst noch zu beachten? Gibt es strukturelle Unterschiede zum Privatvermögen?
Der grösste Unterschied liegt sicher darin, dass Vorsorgevermögen steuerbefreit sind. Das bedeutet, es fallen weder Vermögens- noch Einkommenssteuern auf Zins- und Dividendenerträgen an. Entsprechend empfehlen wir, die dividendenstarken Aktien im Vorsorgedepot zu halten.
Und welche Anlagen würden Sie im Vorsorgedepot eher vermeiden?
Ganz klar Obligationen mit einer mittleren oder längeren Laufzeit. Hier ist die Gefahr, bei steigenden Zinsen starke Kursverluste zu erleiden, einfach zu gross.
Welche Anlagen können als Obligationenersatz im Vorsorgedepot eingesetzt werden?
Bei Versicherten mit einem längeren Anlagehorizont könnte z.B. die Erhöhung der Aktienquote eine Option sein. Aber auch das Halten einer kleineren Cashposition oder der PensExpert Hypothekenpool taugen als Ersatz für Obligationen. Bei einem sehr langen Anlagehorizont sind auch Infrastrukturanlagen prüfenswert.
Würden Sie auch Kryptowährungen anstelle von Obligationen empfehlen?
Kryptowährungen weisen eine extrem hohe Volatilität auf und die Meinungen dazu gehen weit auseinander. Bei den BVG-Geldern würde ich von Kryptowährungen eher abraten. Aber wieso nicht ein kleiner Teil des Säule 3a Guthabens so anlegen und wertvolle Erfahrungen sammeln.