Am 12. August 2022 hat die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) im Rundschreiben Nr. 199a Erläuterungen zur Rückerstattung der Quellensteuer auf Kapitalleistungen aus Vorsorge an Empfängerinnen und Empfänger mit Wohnsitz in Italien publiziert.
Da unser Nachbarland Italien für Aus- und Rückwanderinnen nach wie vor eine attraktive Zieldestination darstellt, ist dies eine gute Gelegenheit, kurz die Eckpunkte rund um Kapitalleistungen aus der zweiten Säule (privatrechtliche Vorsorgeinstitutionen und Freizügigkeitsgefässe) zu umreissen:
Das Verlassen der Schweiz ist eine der Situationen, in welcher man Vorsorgeguthaben aus der zweiten Säule frühzeitig beziehen kann. Zieht man nach Italien, untersteht man normalerweise nicht mehr der schweizerischen Sozialversicherung und die überobligatorischen Gelder können bezogen werden. Das gesamte Guthaben der zweiten Säule kann bezogen werden, wenn man bereits pensioniert oder aus anderen Gründen auch in Italien nicht der Sozialversicherung unterstellt ist. Ob man eine Rente oder eine Kapitalleistung (oder eine Mischform) bezieht ist eine persönliche Entscheidung, das Besteuerungsrecht bei privatrechtlichen Vorsorgelösungen liegt so oder anders im Wohnsitzstaat Italien (Artikel 18 Doppelbesteuerungsabkommen Italien – Schweiz).
Bereits früher im Jahr hat die ESTV mit dem Rundschreiben 199 vom 18. Februar 2022 zu den Änderungen in verschiedenen Merkblättern für die Quellenbesteuerung und Übersichten über die Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) informiert. Hierbei wird erwähnt, dass zur Rückforderung der schweizerischen Quellensteuer auf Kapitalleistungen bei Empfängerinnen in Italien zukünftig nicht nur Kenntnis der dortigen Steuerbehörde über die Zahlung, sondern eine effektive Besteuerung nachgewiesen werden muss.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass unter gewissen Voraussetzungen solche Kapitalleistungen in Italien sehr privilegiert besteuert werden (zu einem Satz von 5%), dies jedoch nur, wenn ein «in Italien ansässiger Finanzintermediär» involviert ist, welcher die Steuern an der Quelle erhebt. In der Praxis heisst das typischerweise, dass die Vorsorgegelder direkt von der schweizerischen Vorsorgeinstitution an eine italienische Bank überwiesen werden müssen, ansonsten «droht» die Besteuerung zu ordentlichen italienischen Einkommenssteuersätzen.
Dieses Vorgehen wird als Fallkategorie 1 im Rundschreiben 199a abgehandelt. Auch in den Fallkategorien 2 und 3 besteht – sofern die Besteuerung in Italien nachgewiesen wird – ein Recht auf Rückerstattung der schweizerischen Quellensteuern, diese Vorgehensweisen bergen jedoch das Risiko einer verhältnismässig hohen Besteuerung der Kapitalleistung in Italien. Auswanderinnen nach Italien, welche planen solche Kapitalien zu beziehen, sei daher dringend geraten, sich in Italien seriös zu informieren um nicht im Dschungel von Gesetzen und Finanzmarkttransaktionen plötzlich auf dem falschen Fuss erwischt zu werden. Dies bevor der Pensionskasse irgendwelche Zahlungsinstruktionen gegeben werden.
Das Vorgehen, welches im Verhältnis zu Italien gewählt wurde, d. h. das mittels Besteuerungsvorbehalten («subject-to-tax» Klauseln) in DBAs oder nationalem Recht eine doppelte Nichtbesteuerung von Einkünften vermieden wird, ist nicht ungewöhnlich. Entsprechende Klauseln werden in modernen DBAs häufig vorgesehen. Auch die Schweiz wendet dieses Instrument vermehrt an, so z. B. auch in den neuen DBAs mit Bahrain oder Saudi-Arabien.