ANOBAG: Die Tücke mit dem BVG

Praktische Tipps
Zahlreiche Arbeitnehmende in der Schweiz haben ihren Arbeitgeber im Ausland. Diese Konstellation birgt einige Tücken z.B. in den Bereichen Arbeitsbewilligungen, Arbeitsrecht, (Quellen-)Steuern oder auch bei den Sozialversicherungen. Bei Letzteren lohnt sich ein Blick auf die zweite Säule ganz besonders. Im folgenden Beitrag erläutern wir diesen Aspekt.
13. Oktober 2021
Geschrieben von
Cyrill Habegger
Leiter Steuern, dipl. Steuerexperte

Was ist ein «ANOBAG»? 

Einem ausländischen Unternehmen steht es frei, jemanden in der Schweiz anzustellen, der hier lebt und arbeitet. Mit anderen Worten ist für die Anstellung einer Person in der Schweiz weder die Gründung einer Gesellschaft noch einer Zweigniederlassung hierzulande erforderlich. Arbeitnehmende solcher ausländischen Arbeitgeber werden gemeinhin als «ANOBAG» bezeichnet. Die Abkürzung steht für «Arbeitnehmende ohne beitragspflichtigen Arbeitgeber».

Hintergrund

Je länger je mehr wird erkannt, dass für gewisse Arbeiten keine Präsenz in einem Büro oder sonstigen Einrichtung eines Arbeitgebers notwendig ist und Mitarbeitende gut von zuhause oder unterwegs arbeiten können. Dies in einer globalisierten Welt auch grenzüberschreitend so handzuhaben, ist ein naheliegendes Vorgehen.

Gleichzeitig hat sich das Bewusstsein gefestigt, dass, wenn jemand ausschliesslich für nur eine «Auftraggeberin» tätig ist, kaum ein Weg daran vorbeiführt, tatsächlich ein Arbeitsverhältnis einzugehen. Ansonsten besteht das Risiko, dass bei der Beschäftigung von Scheinselbständigen Sozialabgaben bei der Arbeitgeberin nachbelastet werden und in der zweiten Säule der Zwangsanschluss an die Auffangeinrichtung erfolgt, ebenfalls mit entsprechenden Kostenfolgen.

Als Konsequenz daraus haben heutzutage zahlreiche Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz, welche auch physisch hierzulande arbeiten, Arbeitgeber, die ihren Sitz in der EU/EFTA oder einem Staat ausserhalb der EU/EFTA haben.

Die Beurteilung aus Optik der Sozialversicherungen

Das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) regelt in Art. 1a, Abs. 1 lit. a und b., dass natürliche Personen mit Wohnsitz in der Schweiz oder solche, die hier eine Erwerbstätigkeit ausüben, obligatorisch in der AHV versichert sind. Ausnahmebestimmungen greifen nur in seltenen Fällen. Auch die Bestimmungen gemäss Sozialversicherungsabkommen zwischen der Schweiz und der EU/EFTA führen typischerweise dazu, dass für Arbeitnehmende, welche in der Schweiz leben und arbeiten, Sozialversicherungsabgaben in der Schweiz geschuldet sind, auch wenn die Arbeitgeberin eine ausländische Gesellschaft ist.

Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob sich die Arbeitgeberin in der EU/EFTA oder in einem Drittstaat befindet. Zu beachten ist hierbei, dass EU/EFTA-Arbeitgeberinnen aufgrund der Abkommen grundsätzlich gegenüber der AHV beitragspflichtig sind (weshalb man in dieser Konstellation auch von «unechten ANOBAG» spricht). Bei Arbeitgebern ausserhalb der EU/EFTA ist dies hingegen nicht der Fall.

Aus dieser auf den ersten Blick akademisch wirkenden Unterscheidung ergibt sich nun eine wichtige Konsequenz im Bereich der zweiten Säule: In der Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2) wird festgehalten (vgl. Art. 1j, Abs. 1 lit. a), dass der obligatorischen Versicherung Arbeitnehmer nicht unterstellt sind, deren Arbeitgeber gegenüber der AHV nicht beitragspflichtig ist. Als Folge daraus sind unechte ANOBAG zu den gleichen Bedingungen wie Arbeitnehmenden mit schweizerischen Arbeitgebern BVG-pflichtig. «Echte» ANOBAG (Arbeitnehmende mit Arbeitgebern ausserhalb EU/EFTA) dagegen sind nicht BVG-pflichtig und haben regelmässig Schwierigkeiten, eine BVG-Lösung zu finden, selbst wenn Arbeitgebende und Arbeitnehmende eine solche eigentlich wünschen.

BVG-Lösungen für ANOBAG

Bei den unechten ANOBAG kommen grundsätzlich dieselben BVG-Lösungen in Frage, wie bei schweizerischen Arbeitnehmenden, auch im überobligatorischen Bereich. Da nur wenige ausländische Arbeitgeberinnen die Gründung einer eigenen schweizerischen Vorsorgestiftung in Betracht ziehen, erfolgt der Anschluss typischerweise über eine Sammelstiftung bei einer Versicherungsgesellschaft. Hier zeigt die Praxis, dass bei weitem nicht alle Versicherungsgesellschaften BVG-Lösungen für ANOBAG anbieten, was die Möglichkeiten einschränkt. Da ein Anschluss bei Erreichen der Eintrittsschwelle obligatorisch ist, bietet sich als Alternative die Stiftung Auffangeinrichtung an, wobei dort ein eingeschränkter Gestaltungsspielraum besteht (s. u.).

Unbefriedigend ist die Situation bei echten ANOBAG. Man qualifiziert sie AHV-rechtlich als unselbständig Erwerbstätige, im BVG kann diese Personengruppe jedoch nur wie Selbständigerwerbende versichert werden. Da ein echter ANOBAG typischerweise weder Personal beschäftigt noch eine Vorsorgeeinrichtung des entsprechenden Berufsverbands besteht, bleibt meist nur der Weg über die Auffangeinrichtung, wo wiederum Einschränkungen bestehen. So ist z.B. das maximal versicherbare Salär auf CHF 148 200 beschränkt.

Speziell zu erwähnen sind Arbeitnehmende, welche einen Arbeitgeber im vereinigten Königreich haben. Erfolgte die Anstellung nach dem 01.01.2021, haben wir es mit einem echten ANOBAG zu tun, mit den entsprechenden Konsequenzen im Bereich des BVG. Personen, welche schon vor dem Austritt des vereinigten Königreichs als (damals noch unechte) ANOBAG einer Vorsorgeeinrichtung angeschlossen waren profitieren, soweit ersichtlich, auch in der hier behandelten Thematik vom Schutz der unter dem Freizügigkeitsabkommen erworbenen Rechte und werden weiterhin als unechte ANOBAG behandelt.

Fazit

Neben vielen anderen Stolpersteinen, gestaltet sich auch das korrekte Aufsetzen einer BVG-Lösung für ANOBAG als nicht ganz einfach. Man ist hier einerseits an einen gesetzlichen Rahmen gebunden, welcher insbesondere EU/EFTA-Verhältnisse und Konstellationen ausserhalb der EU/EFTA unterschiedlich handhabt. Andererseits hat man typischerweise mit Personen zu tun, welche für mindestens für eine gewisse Zeit in der Schweiz erwerbstätig sind und daher einen legitimen Anspruch haben, adäquat versichert zu werden.

Geschrieben von
Cyrill Habegger
Leiter Steuern, dipl. Steuerexperte