AHV-Reform 2021 – das Wichtigste zusammengefasst

Vorsorgereform
Das Parlament hat im Dezember 2021 die Behandlung der AHV-Reform (nachfolgend «AHV21») abgeschlossen. Das dagegen ergriffene Referendum kam zustande, voraussichtlich im Herbst 2022 werden wir darüber abstimmen. Wird die Reform AHV21 angenommen, ist mit in Kraft treten etappenweise frühestens per 1. Januar 2023 zu rechnen.
15. Juli 2022
Geschrieben von
Corinne Galliker
Kommunikationsverantwortliche

Der Bundesrat hat zwei Hauptziele der Reform festgelegt. Einerseits soll das Niveau der AHV-Renten gehalten und andererseits die AHV als volks- wirtschaftlich wichtiger Eckpfeiler bis 2030 finanziell wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Um diese Ziele zu erreichen, sind unter anderem folgende «Renovationen» geplant:

Kurzer Rückblick
Die eigentliche Entstehung der AHV geht auf das Jahr 1925 zurück. Damals wurde der Bund via Bundesverfassung beauftragt, ein AHV-Gesetz einzuführen. Gegen das vom Rat ausgearbeitete Ausführungsgesetz hat das Volk das Referendum ergriffen und das Gesetz im Jahre 1931 schliesslich abgelehnt. Das Thema wurde vom Bundesrat weiterbearbeitet und endete darin, dass das Volk dem neuen AHV-Gesetz 1947 zugestimmt hat. Am 1. Januar 1948 trat das AHV-Gesetz in Kraft. Bis ins Jahr 1980 wurden insgesamt neun AHV-Revisionen umgesetzt. Die zehnte und letzte AHV-Revision geht auf das Jahr 1997 zurück, wo im Übrigen die Teletubbies erstmals am TV ausgestrahlt wurden, Tiger Woods sein erstes Major-Golfturnier gewann und Prinzessin Diana verstarb. Seit einem Vierteljahrhundert herrscht allerdings eine Revisionsblockade.

Die abgelehnte 11. Revision der AHV von 2004 beinhaltete schon damals die Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre (ab Jahr 2009), neue Möglichkeiten für den Rentenvorbezug und weitere Massnahmen zur dringend zu stabilisierenden AHV. Nachfolgend wollen wir die Massnahmen rund um die AHV21 kurz beurteilen und wichtige Hinweise geben:

Einheitliches Rentenalter 65
Das Rentenalter der Frauen soll in Etappen um jeweils drei Monate pro Jahr von heute 64 auf 65 erhöht werden. Arbeitgebende sollten je nachdem Arbeitsverträge entsprechend anpassen. Oft fehlt eine zeitliche Beschränkung gänzlich in Arbeitsverträgen in Bezug auf das Renten- oder eben neu das Referenzalter. Da das Referenzalter auch für die 2. Säule (BVG) im Rahmen AHV21 übernommen wird, sind seitens Arbeitnehmende allfällige Fristen in Bezug auf Anmeldung von Renten und oder Kapitalbezug im Auge zu behalten. Angehende Rentenbezügerinnen – konkret die sog. Übergangsgeneration (9 Jahrgänge) – sollten die Möglichkeit des ausgeweiteten Rentenvorbezugs ab Alter 62 (max. 3 Jahre) beachten. Ein Rentenvorbezug ist generell – auch heute – ein oft zu wenig beachtetes Optimierungsinstrument. Ein AHV-Rentenvorbezug und gleichzeitiges Weiterarbeiten ist seitens AHV problemlos möglich. Zwar wird ein Rentenvorbezug mit einer Rentenreduktion verbunden, die Steuerprogression kann aber mit einem Vorbezug langfristig auch reduziert werden. Die Frage sowohl beim Vorbezug wie auch beim Aufschub ist dabei stets, wie lange man denn gerne noch leben möchte.

Mehr Flexibilität beim Rentenbezug
Die Pensionierung in der 1. Säule (AHV) wird zukünftig zwischen Alter 63 und 70 flexibler möglich sein. Bei Frauen der Übergangsgeneration wie oben erwähnt, gilt diese Möglichkeit bereits ab Alter 62. Ein Vorbezug ist heute nur für ganze Jahre (12 Monate) möglich. Zukünftig besteht die Möglichkeit, den Vorbezug monatlich umzusetzen. Zudem ist auch in der 1. Säule ein Teilrentenvorbezug möglich, zwischen 20 bis 80 Prozent der eigentlichen Rente. Arbeitgebende müssen damit wohl früher als heute üblich das Gespräch mit Arbeitnehmenden suchen, um die Personalplanung bzw. Nachfolgeregelung einer Anstellung sicherzustellen. Arbeitnehmende wiederum müssen ihrerseits allfällige Kündigungsfristen in die Rentenplanung einfliessen lassen. Das Lust- und Laune-Prinzip gilt bekanntlich im Arbeitsvertrag nicht. Weiter gilt es stets, Anmeldefristen für Rentenvorbezug und -aufschub seitens Arbeitnehmende resp. angehende Rentenbezüger zu beachten.

AHV-Beitragsanrechnung bei Arbeitstätigkeit über das Referenzalter hinaus
Der heute bereits bekannte AHV-Freibetrag für weiterarbeitende Rentner:innen von monatlich CHF 1’400 resp. CHF 16’800 pro Jahr bleibt bestehen. Neu ist die Möglichkeit seitens Arbeitnehmende bzw. Rentner:innen, dass auf den Freibetrag verzichtet werden kann. Damit erhöht sich zwar die Beitragspflicht, im Unterschied zu heute werden die geleisteten AHV-Beiträge jedoch nach Erreichen des Renten- bzw. Referenzalters im Rahmen der Rentenberechnung berücksichtigt. Dies allerdings mit der Einschränkung, dass nur geleistete Beiträge bis höchstens fünf Jahre nach dem Referenzalter für die Rentenneuberechnung berücksichtigt werden. Damit können zukünftig, bei Bedarf, Beitragslücken also durch Weiterarbeiten geschlossen und damit die AHV-Rente erhöht werden. Eine Verringerung der Rente ist bei Weiterarbeiten übrigens ausgeschlossen.

Eine Anrechnung von geleisteten AHV-Beiträgen im Rentenalter ist selbst dann möglich, wenn die Person zum Anrechnungszeitpunkt bereits Anspruch auf eine maximale Altersrente hat. Dieser Hinweis ist deshalb wichtig, da die Anrechnung unter Umständen später noch wirksam werden kann, wenn die Rente infolge einer späteren Mutation (z. B. Splitting im zweiten Versicherungsfall, bei Scheidung) sinkt. Die ausbezahlte Rente kann allerdings nie höher sein als die Maximalrente. Arbeitgebende sollten diesbezüglich rund um die Lohnbuchhaltung mit weiter- arbeitenden Rentnerinnen unbedingt schriftlich vereinbaren, ob auf den AHV-Freibetrag verzichtet wird oder nicht. Arbeitnehmende bzw. Rentner:innen sollten selbst ebenso aktiv auf Arbeitgebende zugehen, wenn sie auf den AHV-Rentnerfreibetrag verzichten möchten. Im Rahmen der persönlichen Rentenplanung wäre zu empfehlen, sich frühzeitig um eine AHV-Rentenvorausberechnung zu kümmern, damit eine Entscheidungsgrundlage vorhanden ist, was die Weiterarbeit mit oder ohne Verzicht auf den AHV-Freibetrag betrifft.

Unbefristete Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,4 Prozent
Die Zusatzfinanzierung der AHV durch die Mehrwertsteuer wird in einem separaten Bundesbeschluss geregelt, über welchen das Volk obligatorisch und eben auch separat abstimmen muss. Geplant ist eine Erhöhung des Normalsatzes von heute 7,7 auf neu 8,1 %. Der reduzierte Satz soll von 2,5 auf 2,6 % und der Sondersatz für Beherbergung von 3,7 auf 3,8 % erhöht werden. Über die beiden Vorhaben wird separat abgestimmt, jedoch sind sie verknüpft. Nur bei Annahme beider Abstimmungen (respektive Ablehnung des Referendums gegen die AHV21 und Annahme der Mehrwertsteuererhöhung) kann die Reform umgesetzt werden.

Fazit
Ein (leicht ergänztes) Zitat von Gotthold E. Lessing (1729– 1781) bringt es auf den Punkt: «Das Neue daran ist nicht (für alle) gut, und das Gute daran ist nicht (für alle) neu.» Die komplizierte Situation wird so oder anders sicher nicht weniger kompliziert werden, vor allem wenn man bedenkt, dass die nächste dringend nötige BVG-Revision ebenso ansteht. Diese BVG-Revision steht denn auch in direkter Abhängigkeit zum Ausgang der Abstimmung rund um die AHV21. Wir können also nicht das eine tun und das andere lassen, weshalb der Ansatz im Jahre 2017 – beide Säulen im Rahmen der «Altersreform 2020» gemeinsam einem Update zu unterziehen – wohl nicht grundlegend falsch war, zumal die heute diskutierten Massnahmen mehr oder weniger dieselben von damals sind und wohl auch bleiben werden.

1 Botschaft zur Stabilisierung der AHV (AHV 21) vom 28.8.2019, in: BBl 2019, 6305-6436.

2 Verordnung über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (831.425).

Geschrieben von
Corinne Galliker
Kommunikationsverantwortliche